Über Baro

Eingebettet in die natürliche Umgebung des Savannenplateaus schließt der Dorfkern  an den Heiligen Wald an, während sich die Randbezirke weit in den Busch  erstrecken.

Baro liegt in der Republik Guinea an einer sehr markanten Stelle, die auf  jedem Globus zu finden ist nämlich dort, wo die einzige, derzeit noch  stillgelegte Eisenbahnlinie des Landes den Niger überquert. Diese markante Lebensader inmitten der westafrikanischen Baum- und  Buschsavanne ist althergekommenes Siedlungsgebiet der Malinké. Durch die ländliche Abgeschiedenheit und außergewöhnliche Geschichte der Republik Guinea befinden sich hier Dörfer, die authentischer geblieben sind als anderswo in Westafrika. Dies gilt besonders auch für Baro.

 

Die Bewohner
Mehrere Großfamilien bilden die Dorfgemeinschaft.

Baro ist eine überschaubare Gemeinde fern von jeder Großstadthektik, in der fast ausschließlich Malinké leben. Sie sind freundliche, herzliche und  zugewandte Menschen, die gerne in Deiner Nähe sind.
Nach wie vor ist die Mehrzahl der Bewohner Baros in der Landwirtschaft tätig. Den Bauern gebührt seit alters her das höchste Ansehen, denn der Feldbau ist eine sehr wichtige und zugleich geachtete Arbeit.
Daneben gibt es Jäger, Händler sowie die Schmiede, denen auch Camios Familie angehört. Die Aufgabe der Schmiede ist es, die Bauern zu unterstützen, ihr Leben zu  erleichtern und zu versüßen. Zum einen fertigen sie die Werkzeuge,  zum anderen trommeln sie auf den zahlreichen Festen.

Die folgenden Zeilen geben ein treffendes und zugleich wunderschönes Stimmungsbild aus dem Leben der ländlichen Malinke wieder. Mit freundlicher Genehmigung vom Speer-Verlag, Schweiz. Auszug aus „Einer aus Kouroussa”:

„Ich weiß nicht, woher es kommt, dass man den Begriff von bäurischem Wesen, sofern man darunter Mangel an Zartheit und Taktgefühl versteht, mit dem Land verbindet, denn man lebt den Forderungen der Höflichkeit dort mehr nach als in der Stadt. Man pflegt dort Umgangsformen und einen Ton, den die schnelllebige Stadt nicht kennt. Die Lebensweise, aber auch nur die Lebensweise, ist zwar einfacher, die Beziehungen der Menschen zueinander jedoch sind genauer festgelegt, vielleicht, weil jeder den anderen kennt. In allem Tun schien mir eine Würde zu liegen, die in der Stadt ihresgleichen sucht, und man unternahm nie etwas, ohne zuvor dazu aufgefordert worden zu sein, selbst wenn es selbstverständlich gewesen wäre, dass man es tat. In allen Dingen zeigte man sich ernsthaft besorgt um die Freiheit der andern. Und wenn der Geist etwas langsamer war, so wohl nur deshalb, weil die Überlegung der Rede vorausging, aber dafür hatte die Rede auch mehr Gewicht.“

 

Die Architektur
Traditionelle Lehmbauweise aus Materialien der Umgebung

Das Leben im Land der Malinké findet typischerweise in Siedlungen von fensterlosen Rundhäusern ohne Strom und fließendes Wasser statt. Das Bild ist geprägt von dicht aneinander stehenden Rundhütten, auch wenn sich in Baro mittlerweile einige neue Häuser einfügen, von schmalen gewundenen Gassen und offenen Plätzen.

Einer der wichtigsten Plätze in Baro ist der Tanzplatz (Bara). Ein großer Baum steht in seiner Mitte und die Erde ist von unzähligen tanzenden Menschen über die Jahre festgestampft worden.

 

Die Lebensweise
Soziale, politische und wirtschaftliche Strukturen sind eng verflochten mit einer erstaunlichen Vielfalt von Trommelanlässen.

Der Zyklus der Jahreszeiten bestimmt nach wie vor das dortige Leben. Es erscheint uns Mitteleuropäern einfach und hart, z.B. wird der Reis ohne technische Errungenschaften mit der Sichel geschnitten, zu Fuß vom Feld getragen und von Hand gedroschen.
Männer und Frauen gehen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ihren unterschiedlichen Tätigkeiten und Aufgaben nach. Sie sind in verschiedenen Gemeinschaften von Altersgruppen (sogenannten Generationen) mit entsprechenden Pflichten und Rechten eingebunden. Es zählt der Zusammenhalt in der Gruppe, nicht das Individuum.

 

Die Feste
Obwohl es kein Wort für „Fest“ bei den Malinké gibt, tanzen, trommeln und singen sie gerne und oft.

Jede Jahreszeit, jedes Geschlecht, jede Altersgruppe und oft auch die einzelnen Tätigkeiten haben ihre Rituale mit entsprechenden Rhythmen. Die Trommeln werden nicht im alltäglichen Leben gespielt, sondern nur zu herausragenden Kulthandlungen, die im Gemeinschaftsleben Akzente setzen.
Es ist faszinierend, zu erleben, wie jeder seinen Teil zum Gelingen eines Festes beiträgt. Die antreibende Energie der Trommeln bringt die Stimmung mehr und mehr zum Kochen, während die Trommler gleich einem ruhenden Pol das Zentrum bilden.

Für die Workshop-Reisen haben wir besondere Perioden im Jahr ausgesucht.

Beim Baradasa werden vor allem Dundunba-Rhythmen gespielt („Tanz der starken Männer“). Für diesen Anlass geschmückte und festlich angezogene Männergruppen vergleichen und messen ihre Kräfte vier Tage lang auf dem Tanzplatz. „Wir werden sehen, wer der Stärkere ist, ob die jüngere Generation bereits die ältere ablösen kann.“

Zur selben Zeit (nach dem Ramadan) erscheint auch die Maske Konden. Zum gleichnamigen Rhythmus, der ebenfalls zur Familie Dundunba gehört, zeigt sich hier eine Geistergestalt, die eine Generation von Jugendlichen vertritt, die zu jung sind, um auf dem Tanzplatz tanzen zu dürfen. Sie wird begleitet von anderen Masken, die ebenfalls Aspekte der Gemeinschaft verkörpern und sie in imposantem Schauspiel der Bevölkerung in Erinnerung bringen.
Dahlamon ist am Ende der Trockenzeit eine beeindruckende und sehr große Zeremonie. Bei diesem Fest wenden sich die Menschen in und um Baro direkt an die Geister des Heiligen Waldes und bitten sie durch Singen und Tanzen um die Erfüllung ihrer Wünsche. Alle Altersgruppen repräsentieren sich durch ihre Masken, Rhythmen und Tänze. Damit zeigen sie Status, Selbstbewusstsein und Verantwortlichkeit.

Wörtlich übersetzt heißt Dahlamon „den See kneten“. Es ist kaum möglich, dieses Schauspiel zu beschreiben, wenn sich mehrere hundert Frauen und Männer in den vom jährlichen Hochwasser zurückbleibenden See stürzen, um ihn mit Körben und Netzen leerzufischen.

Gidamba, Soli und Kassa sind die häufigsten Feste während der Regenzeit im August. In dieser Jahreszeit ist alles grün und fruchtbar, die Natur blüht auf und die Mangos sind reif. Der nur einmal am Tag für kurze Zeit einsetzende Regen lässt sich gut in den Tagesablauf integrieren, und das milde Klima empfinden wir Europäer als sehr angenehm. Jetzt wird eine Vielzahl von persönlichen Festen gefeiert, wie zum Beispiel Hochzeiten oder Initiationen, aber auch die Rhythmen der Kassa-Familie zur Feldarbeit und Unterstützung der Bauern sind oft zu hören.

 

Natur und Umgebung
Der Heilige Wald, der Fluss Niandan mit Strand und Sandbänken sowie die Ausflüge in den Busch erschließen eine weitgehend unberührte Natur.

Baro liegt nahe beim Fluss Niandan, der wenige Kilometer weiter abwärts in den Niger mündet. An seinem Lauf zieht sich ein vogelreicher Galeriewald entlang und in der Ferne unterbrechen einige isolierte Bergmassive die weite Feuchtsavanne Oberguineas mit ihren vereinzelten weit ausladenden Baumriesen. Der bilharziosefreie Fluss bietet mit seinen Sandbänken eine grandiose Urlaubsstimmung und lädt Dich zum Plantschen und Schwimmen ein.


Das Grün (und in der Trockenzeit auch Strohgelb) der Pflanzen wechselt sich ab mit dem Rot-Ocker der Erde. Es sind stimmungsvolle Bilder für den Betrachter.

Manchmal, wenn der Blick in die Ferne schweift und die Kühe auf den abgeernteten Feldern grasen, erscheint das Bild merkwürdig vertraut. Vielleicht so, wie es in Europa war, als die Natur noch unberührt war.

 

 

 

Der kleine Unterschied
Einige Aspekte der Malinké-Kultur erschließen sich für unsere Denkweise nur schwer.

Die Kultur der Malinké ist doch sehr unterschiedlich zu der europäischen. Mit unserem Verständnis können wir afrikanische Realitäten oft nur schwer erfassen.

Zum Beispiel ist für viele dort die Zeit eine ziemlich lockere, elastische und subjektive Angelegenheit. Zeit ist sogar etwas, was der Mensch selbst schaffen kann, denn die Existenz der Zeit zeigt sich in Ereignissen, und diese Ereignisse hängen vom Handeln des Menschen ab.
Dies erscheint uns zunächst als faszinierend und verlockend. Wenn wir aber damit konfrontiert werden – und das bedeutet vor allem, dass wir auf etwas warten müssen – sind wir in unserer Toleranz gefordert. In diesen und anderen Situationen ist Respekt vor dem Anderen sicher der erste und auch der beste Rat.

Auch das Geschäftsgebaren hat schon zu so mancher Irritation geführt. Alles ist verhandelbar, und der Preis für uns Europäer kennt keine Grenzen – zumindest nach oben. Deswegen haben wir uns dafür entschieden, dass es bezüglich Trommeln und Glocken bei Anbada Sofoli feste Preise gibt. Ansonsten muss jeder auf den Märkten seine eigenen Erfahrungen machen, sich zunächst bei Vertrauten über die üblichen Preise informieren und dann entsprechend handeln. Wenn man Zeit dafür hat, kann Handeln Spaß machen und recht aufschlussreich sein.

Um viele Aspekte im Zusammenleben, sei es das afrikanische Verständnis von Freundschaft, die Hierarchie in der Gemeinschaft oder die traditionellen Frauenrollen, zu verstehen braucht es Hingabe und sie geben uns oft Anlass zum Philosophieren und auch Zweifeln. Eines jedoch ist wunderschön: Es heißt, Lachen ist ein Grundnahrungsmittel und hilft beim Bewältigen von Problemen.

 

Baro und Anbada Sofoli
Das Interesse der Europäer an der Malinké-Trommelmusik wertet die Traditionen auf.

Auf die Frage „Was bedeutet es für die Bewohner und die Musik Baros, wenn Europäer zur Trommelschule Anbada Sofoli kommen?“ antwortet Mansa Camio:
„Wir, die Malinké, brauchen die Musik zum Leben. Ich sage das freimütig. Es gibt bei den dörflichen Malinké kein Fest, kein Ritual und keine Kulthandlung, die nicht mit der Musik verbunden ist. Von der Taufe bis zur Beerdingung sind die Bewohner Baros von den Trommeln begleitet. Alle wichtigen Ereignisse im Leben finden sich in unseren Rhythmen wieder.
Aber ich habe auch beobachtet, dass die Rituale und Kulthandlungen angefangen haben, mager zu werden und zu verschwinden. Natürlich gibt es all die Gelegenheiten, zu trommeln, zu tanzen und zu singen. Aber irgendwie fehlt der Schwung.

Neben der Wirkung nach außen und dass ich damit meinen Clan ernähren kann, hat Anbada Sofoli auch nachhaltigen Einfluss auf die Erhaltung der musikalischen Tradition. Tatsächlich wären die Musikkultur und die lebendige Gemeinschaft vielleicht schon verschwunden oder der Nachwuchs wäre abgewandert, wenn ich nicht die Schule gegründet hätte. Jetzt haben die kleinen Kinder den Mut und die Motivation, zu trommeln. Das hängt damit zusammen, dass die ursprünglich abgewertete und schlecht bezahlte, aber dennoch unentbehrliche Arbeit der Trommler durch die Schule wieder an Ansehen gewonnen hat.
Wir haben jetzt verschiedene Gruppen in allen Altersklassen, die unsere Musik und ihre Geheimnisse lebendig halten und in die Initiationen hineinwachsen.“